Bendorf liegt, erdgeschichtlich gesehen, in einer sehr bewegten Region, die seit Jahrmillionen tiefgreifender Veränderungen unterworfen ist. Ablagerungen von Tonen förderten die Errichtung von Ziegeleinen, die wiederum wichtig für die Verhüttung von Eisenerz sind, welches in unmittelbarer Nachbarschaft durch reichhaltigen Vulkanismus oberflächennah abgebaut werden konnte. Der Rhein als Transportweg und die Wälder mit reichem
Buchenbestand waren optimal für die industrielle Entwicklung und den Aufbau des Hüttenwesens in den letzten Jahrhunderten. Ebenso abwechslungsreich ist die umgebende Landschaft mit einer Vielzahl von Tier- und
Pflanzengesellschaften, die über lange Zeit miteinander vernetzt waren. Ausgehend vom Rhein mit seinen Ufer-bereichen und Überschwemmungsflächen sind diese Bereiche z.B. über Seitenbäche mit Schlucht Wäldern am Rande des Westerwaldes verbunden. Kleine Seen, Waldflächen und Heckenstruckturen verbinden diese FFH Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) als wichtigen Trittstein für Pflanzen und Tiere.
Heute die industrielle Landwirtschaft, vor 2 Jahrhunderten die industrielle Entwicklung, fordert immer mehr naturnahe Flächen, die als wichtiger Lebensraum und Trittstein für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt dienen. Deshalb ist es auch heute noch wichtig, Flächen zu schaffen bzw. der Natur zurück zu geben um den Artenrückgang aufzuhalten oder zumindest zu Verlangsamen.
Das ist kein neues Problem, schon vorn 500 – 600 Jahren wurde festgestellt, dass Wälder immer mehr genutzt und zerstört wurden. Im 18. und 19 Jahrhundert fürchtete man sogar eine große Holznot wegen der ansteigenden Industrialisierung. So stellte der Preußische Staat 1766 die übermäßige Holznutzung unter Strafe und es entstanden überall Waldgesetze, die Vorläufer der jetzigen Naturschutzgesetze.
Holz und Holzkohle waren damals die wichtigsten Energielieferanten und man finden auch heute noch überall im Bendorfer Wald Hinweise auf die Herstellung von Holzkohle (Köhlereine). Durch die steigende Industrialisierung waren auch Schutzmaßnahmen und auch entsprechender Kleidung für die Industriearbeiter notwendig, um sich vor der Hitze ein wenig zu schützen. Deshalb wurde Leder vielfältig eingesetzt. Für die Lederherstellung benutzte
man damals noch ein Naturprodukt, die Lohe, die aus Eichenrinde hergestellt wurde. Flurbezeichnungen oder Wegenamen wie z. B. „Auf der Lohe“ oder „Lohweg“ weisen heute noch auf die damalige Nutzung der Eichenwälder zur Lederherstellung hin.
Das Zusammentreffen all dieser Faktoren (mildes Klima für Eichenwälder, Buchenwälder zur Herstellung von Holzkohle, Erzlagerstätten durch Vulkanismus, Tonabbau und Ziegelherstellung, Wasser als Antriebskraft und der Rhein als Transportweg) begünstigten die industrielle Entwicklung im Bendorfer Raum. Es entstanden die Sayner Hütte, die Mülhofener Hütte, das Hüttenwerk Remy und die Concordia Hütte.
Mit der industriellen Entwicklung ging leider auch eine Zerstörung der Natur einher, sowohl durch den zusätzlichen Platzbedarf, die Wasser- und Luftverschmutzung, den Ausbau der Transportwege und durch die Lagerung von Industrieabfällen. Die Entstehung der Concordia Sandhalde, geht auf die lebhafte Entwicklung der Concordia Hütte zurück, die schon 1724 begann, als das Hüttenwerk Remy dort errichtet wurde.
Die eigentliche Gründung der Concordia Hütte wurde durch die Gebr. Lossen 1838 eingeleitet. 5 Jahre später 1843 wurde dann der 1. Hochofen angeblasen. In den darauffolgenden Jahrzehnten kamen weitere Öfen, Schweißöfen, Puddelöfen, Glühöfen, Dampfhammer und Walzwerke hinzu, die hauptsächlich mit Holzkohle betrieben wurden. 1861 fand dann die Umstellung auf Koks statt.
Die produktionsbedingten Abfälle, wie Formsand und Sand aus den Öfen, der regelmäßig ersetzt werden musste, Schlacke, Gießereiabfälle oder alte Ziegel wurden ortsnah abgeladen, um unnötige Transportkosten zu vermeiden.
Ständige Erweiterungen und Erneuerungen hielten die Concordia Hütte immer auf dem neuesten Stand der Technik. Bis 1908 wurde ein weiterer Ofen nach dem Siemens-Martin-Verfahren errichtet und mit Gas und Öl befeuert. Die Errichtung des Zementwerkes und die Produktion von Hüttenzement verringerte zwar den Schlackeausstoß, der bis dahin auf der Halde abgelagert wurde, aber eine vollständige Schließung der Abraumhalde war noch lange nicht in Sicht. Weiterhin wurden alle Industrieabfälle und unbrauchbarer Hüttenzement dort abgelagert.
Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg und der allgemeinen Rezession in den 1920-er Jahren wurden viele Hütten, so auch die Sayner und Mülhofener Hütte, geschlossen; die Concordia Hütte blieb als einzige Bendorfer Hütte erhalten, wurde jedoch verkleinert. So wurden 1930 noch 1000 Mitarbeiter beschäftigt, die sich in den Folgejahren auf 400 verringerten. Bedingt durch den 2. Weltkrieg wurden dann wieder für die Herstellung kriegswichtiger Materialien und für die deutsche Reichsbahn die Produktion angekurbelt und zeitweise bis zu 1600 Mitarbeiter beschäftigt. Durch den Aufschwung in der Stahlgießerei wurde die Abraumhalde
auch weiterhin intensiv benutzt und ausgebaut.
Zum Kriegsende kam die Produktion vollständig zum Erliegen, nicht weil das Werk zerstört wurde, sondern weil die notwendigen Gasleitungen zum Betrieb der Öfen, nicht mehr intakt waren. Der Wiederaufbau begann schon 1945 mit der Modernisierung und dem Bau neuer Elektroöfen. Auch eine Anlage zur Sandaufbereitung in den 1960-er Jahren wurde errichtet. Die Concordia Hütte hatte in den 1950-er Jahren zwar wieder mehr als 1500 Beschäftigte, jedoch kränkelte das Hüttenwesen in Deutschland allgemein durch ausländische Einflüsse und den globalen Handel.
Der Abfall an Schlacke, Hüttenzement und Sanden verringerte sich; der Ausschuss aus dem Serienguss und dem Maschinenbau wurde jedoch hier weiterhin abgelagert. Auch die Verwendung von Kunststoffen und deren Restbestände lassen sich auf der Abraumhalde nachweisen. Insgesamt verringerte sich die Nutzung der Abraumhalde in den 1960-er und 1970-er Jahren erheblich und es wurden sogar Teile abgetragen und für die Verfüllung von Deichanlagen in den Niederlanden genutzt.
1993 wurde die Concordia Hütte dann vollständig geschlossen und 1995 bis auf 2 Gebäude vollständig abgerissen.
Als industrielles Erbe blieb die Sandhalde erhalten und wurde weiterhin als Mülldeponie und Motocross Stecke genutzt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass über 150 Jahre ein ca. 5 ha großes Gelände entstanden ist, auf dem Abfälle das dem Hüttenwesen, Formsande, Schlacke, Hüttenzement, Eisengussteile, Ziegel, Gebäudeabraum und Kunststoffabfälle abgelagert wurden.Invasive Pflanzenarten, wie die Goldrute, Hybridpappel oder Birke und Robinie besiedelten die Brachflächen und es drohte eine Verödung des Geländes.
Im Jahr 2005 kaufte der NABU Neuwied und Umgebung e.V. das 5 ha große Gelände von der
Thyssen AG mit dem Ziel, die Fläche von den expansiven Arten zu befreien und ein
artenreiches Biotop herzustellen, welches sich harmonisch in die angrenzenden FFH (Flora-Fauna-Habitat) Gebiete einfügt und als wichtiger Trittstein für einheimische Arten zwischen dem Rheintal einerseits und den kleinen Flusstälern des Westerwaldes andererseits dienen soll. So ist es auch weiterhin das Ziel des NABU, hier eine intensiv genutzte ehemalige Industriefläche zu Renaturieren und in einem Verbund aus unterschiedlichen naturbelassenen Biotopen zu vernetzen. Der mit einbezogene Teil des Saynbaches zeigt noch Reste des
ursprüngliche krautreichen Auen und Schlucht Waldes mit Esche (Fragaria excelsior), Ahorn (Acer platanoides
und A. pseudoplatanus), Erle (Alnus glutinosa) und seltenen Arten wie Hirschzungenfarn (Phyllitis scolo-pendrium), Tüpfelfarn (Polygonum vulgare) oder das gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides). Altholzbestände bieten Nahrung und Unterschlupf für diverse Insektenarten, Vögel und Fledermäuse, deren Lebensraum durch die industrielle Landwirtschaft und durch monotone Gärten immer weiter verringert wird.
Die eigentliche Sandhalde ist, wie der Name schon sagt, durch Sand- und Schlackenablagerungen der Concordia Hütte, geprägt. Dieses Material ist kaum in der Lage Wasser zu speichern und somit sind die Voraussetzungen für wärme- und trockenheitsliebende Tier und Pflanzengesellschaften gegeben. Nach dem Erwerb durch den NABU im Jahr 2005 musste jedoch erst einmal die Basis für solche Lebensgemeinschaften geschaffen werden. In mühseliger Arbeit befreiten die NABU Mitglieder das Gelände von Müll und reduzierten expansive Pflanzenarten durch Rückschnitt und Abholzung. Somit war nun die Basis für die natürliche Sukzession gegeben, die jedoch einer ständigen Pflege bedarf um das Ausbreiten von artenarmen Monokulturen zu verhindern. Hierfür werden Burenziegen und Esel als Landschaftspfleger eingesetzt, die auf natürliche Art und Weise für ein Gleichgewicht zwischen Nachwachsen und Abfressen der Triebe sorgen.
Auf der trockenen Hochfläche der Concordia Sandhalde lassen sich jetzt nach 16 Jahren große Erfolge im Sinne des Naturschutzes verzeichnen. Durch die Reduktion expansiver Arten konnte sich ein artenreicher Halbtrockenrasen entwickeln, der wiederum viele Insekten, Spinnen und Reptilien beheimatet. Besonders erwähnenswert ist das Vorkommen der blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und der Zebra- oder Wespenspinne (Argiope bruennichi) deren Haupverbreitungsgebiet der Mittelmeerraum ist und die Wiederansiedlung von Mauer- und Zauneidechse. Der artenreiche Trockenrasen beheimatet auch diverse Käfer- und Schmetterlingsarten wie z.B. den Schwalbenschwanz (Papilio machaon). Etwa 60 Vogelarten (davon 30 Brutvögel) lassen sich auf der Sandhalde nachweisen und sicherlich ebenso viele Zug und Gastvögel wurden hier schon gesehen. Regelmäßig zieht ein Turmfalkenpaar (Falco tinnuctulus) hier seine Jungen auf.
Zur Bereicherung der ohnehin schon reichhaltigen Geländestrukturen wurden noch Stein- und
Holzhaufen für die Ansiedlung von Insekten und Kleinsäugern angelegt, die auch angenommen wurden. Solche Elemente bedürfen kaum einer Pflege und können in jedem Garten angelegt werden, um der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt einen neuen
Lebensraum zu schaffen. Insekten und Kleinsäuger können sich schon im ersten Jahr ansiedeln und nach wenigen Jahren finden sich auch Flechten und Moose ein, die als Pioniere die Steine und das Holz besiedeln. Wichtig ist bei Mager- und Trockenrasen Hochfläche der Concordia Sandhale 2020 der Verzicht auf zusätzliche Düngung und Grund-
sätzlich der Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden, Bioziden oder sonstigen Pflanzenschutzmitteln.
Durch die ganzjährige extensive Beweidung mit einigen Ziegen und Eseln und permanente Pflegeeinsatz konnte sich auf der ehemaligen Concordia Industriehalde ein artenreiches Biotop entwickeln, welches sich als wichtiger Trittstein in die Biotopvernetzung der gesamten Region optimal eingliedert. Auch die relative Abgeschiedenheit trägt zur Entstehung einer artenreichen natürlichen Lebensgemeinschaft bei.
Die Concordia Sandhalde ist ein schönes Beispiel in der Region dafür, dass auch anthropogen entstandene Nutzflächen wieder so renaturiert werden können, dass sie ein wichtiger Lebensraum für einheimische Tier- und Pflanzenarten werden können. Weitere Beispiele einer erfolgreichen Renaturierung ist das ehemalige Militärgelände „Schmidten Höhe“ bei Koblenz oder das „Engerser Feld“ wo früher Rheinsande und Kiese ab-gebaut wurden.
Es bleibt zu hoffen, dass weitere Flächen in das Biotop Verbundsystem erfolgreich eingegliedert werden können, um der industriellen Landwirtschaft mit seinen großen Monokulturen und den damit verbundenen vielfältigen negativen Einflüssen in Natur und Landschaft etwas entgegen zu wirken. Denn eine Bereicherung der Natur ist auch gleichzeitig eine Bereicherung für den menschlichen Lebensraum und ein Stück Lebensqualität für uns
alle.
Burenziegen auf der Concordia Sandhalde Im Jahr 2020 wurde dieses Projekt des NABU Neuwied und Umgebung e.V. offiziell von den Vereinten Nationen im Rahmen „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ als besonders wertvolles Projekt ausgezeichnet.